Wüstenradar: Vom Verschwinden der Lokalzeitung – Wie lassen sich Zeitungswüsten in Deutschland verhindern?

DONNERSTAG | 22. MAI | 19.30 UHR | FPC, ULMENSTR. 20, 60325 FRANKFURT

ZU GAST
Axel Grysczyk (Chefredakteur HNA – Hessische/Niedersächsische Allgemeine)
Dr. Thomas Schnedler (Co-Geschäftsführer – Netzwerk Recherche)

MODERATION
Michaela Schmehl (FPC Vorstandsmitglied)

BEGRÜßUNG
 Wolfgang Borgfeld (Kurator – m² MedienMittwoch Stiftung)

Eine Kooperation mit dem MedienMittwoch

In einem Clubabend am 22. Mai wurde die zunehmende Bedrohung durch „Nachrichtenwüsten“ in Deutschland diskutiert, nachdem eine Studie der Hamburg Media School, in Zusammenarbeit mit Netzwerk Recherche und Transparency International Deutschland erstmals systematisch die Verbreitung von Lokalzeitungen von 1992 bis 2023 erfasst hatte.

Die Pionierstudie „Wüstenradar“ zeige, dass fast jeder zweite Kreis in Deutschland (46,75%) nur noch eine lokale Tageszeitung hat. Diese Gebiete verglich Dr. Thomas Schnedler mit „Nachrichtensteppen“ und veranschaulichte die dramatischen Folgen für die Vielfalt in der Berichterstattung. „Wo keine Konkurrenz mehr herrscht, leidet die demokratische Debatte.“

Folgen für die Demokratie

Der Co-Geschäftsführer vom Berliner Netzwerk Recherche verwies auf internationale Beispiele, insbesondere aus den USA, wo das Verschwinden lokaler Medien zu einer sinkenden Wahlbeteiligung und zunehmender politischer Polarisierung geführt habe. „Ohne Lokaljournalismus drohen populistische und radikale Kräfte die Lücken zu füllen.“

Beispiel Greiz: Eine Region ohne gedruckte Tageszeitung

In einer strukturschwachen Region wie Greiz sei dies besonders deutlich geworden, nachdem die FUNKE Medien Thüringen im April 2023 die Zustellung der gedruckten Ausgabe der Ostthüringer Zeitung in dem für sie unwirtschaftlichen Gebiet eingestellt hatte. „Die Menschen dort vermissen ihre Zeitung“, berichtete Schnedler aus den Interviews vor Ort, denn „sie strukturiert ihren Tag und verbindet die Gemeinschaft.“

Ersatzprodukte und ihre Gefahren

Wo traditionelle Medien verschwinden, füllen heute Anzeigenblätter oder soziale Medien die Lücke. Besonders problematisch sind dabei Anzeigenblätter mit rechtsextremen Inhalten, wie z. B. „Neues Gera“, das von einem AfD-Politiker herausgegeben wird. Solche Entwicklungen unterstreichen die Dringlichkeit, nachhaltige Lösungen für den Lokaljournalismus zu finden.

Zukunft des Lokaljournalismus

Die Erkenntnisse der Studie machen deutlich, so der Chefredakteur der Hessische/Niedersächsische Allgemeine Axel Grysczyk, dass die Transformation eine enorme Aufgabe sei, vor der auch die HNA stehe, und die innovative Ansätze für den Lokaljournalismus notwendig mache. Die Redaktion sei sich allerdings ihrer Verantwortung für die Demokratie bewusst. Digitale Medien könnten eine Lösung sein, doch fehlen bisher tragfähige Modelle. „Wir alle müssen Wege finden, um die Vielfalt und Unabhängigkeit des Lokaljournalismus zu bewahren“, fasste FPC-Vorstandsmitglied und Moderatorin Michaela Schmehl die intensiv geführte Debatte nach knapp zwei Stunden zusammen.

Der Clubabend im Video

In Kooperation mit:

Axel Grysczyk
Foto © Privat
Dr. Thomas Schnedler
Foto © Netzwerk Recherche

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