Auslandsberichterstattung in der Krise

21 JUNI 2022 | 19.30 UHR | ONLINE BEI ZOOM

ZU GAST
Marc Engelhardt (Geschäftsführer des CrowdNewsroom Schweiz – CORRECTIV)

MODERATION
Jana Sauer (Präsidentin des FPC)

Weiße Flecken in der Auslandsberichterstattung

Studie der Otto-Brenner-Stiftung im Online-Clubabend

Der Markt kann eine umfassende Auslandsberichterstattung in den Medien nicht mehr regeln, daher sollten Modelle erarbeitet werden, wie diese wichtige journalistische Tätigkeit gefördert werden kann. Diese These hat Marc Engelhardt während des Online-Clubabends über die Krise der Auslandsberichterstattung aufgestellt. Engelhardt, langjähriger freier Auslandskorrespondent und Geschäftsführer des CrowdNewsroom Schweiz – Correctiv, hatte für die Otto-Brennerstiftung die alarmierende Analyse erarbeitet, dass ein großer Teil der Welt in der Berichterstattung hiesiger Medien so gut wie gar nicht vorkommt. In der Folge seien Politik und Gesellschaft von wichtigen Ereignissen überrascht worden, wie zum Beispiel von dem Einmarsch der Taliban in Afghanistan oder auch von dem Krieg Russlands gegen die Ukraine. Über die Ukraine sei vorher im Wesentlichen aus den Moskauer Korrespondentenbüros berichtet worden, wobei stets auch das Narrativ der russischen Regierung eingeflossen sei. Nur sehr wenige Berichterstatter hätten die Ukraine bereist und genauere Kenntnisse über dieses Land. Als ein weiteres Beispiel führte Engelhardt Mali an, wo die Bundeswehr seit 2013 in einem gefährlichen Einsatz sei. Trotzdem gebe es dort keinen festen Korrespondenten. In den 23 untersuchten Medien sei dieses Land im Jahr 2019 nur 51 mal vorgekommen. Und die meisten Berichte seien noch von Journalisten geschrieben worden, die die Verteidigungsministerin begleitet hätten, die also jenseits des offiziellen Besuchsprogramms kaum etwas über das Land erfahren hätten. Als Grund für den Rückgang der Auslandsberichterstattung führte Engelhardt vor allem verschiedene Sparwellen in den Medienhäusern an. In den neunziger Jahren, seien zunächst viele feste Korrespondentenstellen gestrichen worden. Dies bedeutete zunächst einen kurzfristigen Vorteil für freie Journalisten, die sich mit sogenannten Bauchläden ganz gut finanzieren konnten. Doch die Konzentration im Pressewesen führte dann zu geringen Bezahlquoten, da nun ein Verlag einen Artikel in mehreren Zeitungen abdruckte, aber ihn nur einmal bezahlte. Parallel dazu wurden in den Redaktionen die Auslandsseiten und die Sendeplätze ausgedünnt und die Budgets gekürzt. Für die Freien hat sich nach Beobachtung von Engelhardt die Situation noch dadurch verschärft, dass die politischen Barrieren in vielen Ländern wachsen und auch die Ausgaben für die eigene Sicherheit nach oben schießen. So müsse man in Somalia pro Tag 1000 Dollar kalkulieren, um sich einigermaßen in dem Land bewegen zu können. Viele Autokraten und Potentaten behinderten sehr bewusst eine kritische Berichterstattung. Nach Auffassung von Engelhardt wäre das Netz der freien Korrespondenten schon zusammengebrochen, wenn sich die Journalisten nicht zu einem wesentlichen Teil auch durch gut bezahlte Aufträge der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten finanzieren könnten. Auf die Frage von Moderatorin Jana Sauer, wie sich die Situation ändern ließe, hob Engelhardt noch einmal hervor, wie gefährlich die vielen weißen Flecken in der Wahrnehmung der Welt seien. Als ein weiteres Beispiel führte er prorussische Demonstrationen in der Zentralafrikanischen Republik an, die natürlich Auswirkungen hätten. Nach seiner Auffassung muss sich die Bundesregierung noch mehr für die Pressefreiheit im Ausland einsetzen und zudem müsse es einen Diskussionsprozess geben zwischen Politik, Medien und Journalisten, wie Förderungsmodelle für Auslandsberichterstattung aussehen könnten.

In Kooperation mit:

Marc Engelhardt
Jana Sauer
© Barbara Walzer

Aufzeichnung der Veranstaltung auf unserem YouTube-Kanal

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