Vor der Fußballweltmeisterschaft in Katar – Die Reporter Jan-Christian Müller und Harald Stenger zu Gast

15 NOVEMBER | 19.30 UHR | IN PRÄSENZ IM FRANKFURTER PRESSECLUB

ZU GAST
Jan-Christian Müller (Sportredakteur bei der Frankfurter Rundschau)
Harald Stenger (freier Journalist und Medienberater)

MODERATION
Arnd Festerling (FPC-Vorstandsmitglied)

Keine Fußball-WM mehr im Winter

Diskussion im Vorfeld von Katar

„Wir haben nach der Vergabe der Fußballweltmeisterschaft an Katar vieles nicht erkannt und nicht wahrgenommen“ äußerte sich auf den Journalismus bezogen selbstkritisch der Reporter der Frankfurter Rundschau Jan-Christian Müller. Kurz vor dem Anstoß zum Auftaktspiel hatte der FPC auf einem Clubabend einen kritischen Blick auf das bevorstehende Weltereignis geworfen. Sowohl Müller als auch der frühere Pressesprecher der Nationalmannschaft Harald Stenger warteten an diesem Abend mit einer Fülle von Detailwissen über die Vergabe und die Entwicklung der FIFA auf. Einmütig stellte das Podium unter der Moderation von Arnd Festerling fest, es komme keine Stimmung für die WM auf. Äußere Anzeichen seien, der Verkauf der Panini-Bilder verlaufe sehr schleppend, in den Supermärkten hingen nur wenige Girlanden etwas trostlos herum und in einer Umfrage hätten 56 Prozent gesagt, sie würden diesmal keine WM am Fernsehen schauen. Stenger bedauerte, der Fußball sei stimmungsmäßig und politisch verkommen. Die vollkommen überzogenen Finanzen und die Querelen in den Verbänden hätten sein Image geschädigt und diesen Sport auch ein Stück weit ruiniert, meinte Stenger. Nach seiner Darstellung hat bei der Vergabe die schlechteste Bewerbung gegen die beste – nämlich die der vereinigten Staaten – gewonnen. Detailliert legte er dar, wie das Abstimmungsergebnis durch den Kauf von Stimmen zustande gekommen ist und wie unter anderem der französische Präsident Sarkozy auf Platini, den damaligen UEFA-Präsidenten, Druck ausgeübt habe, wegen der Wirtschaftsinteressen Frankreichs für Katar zu stimmen. Müller gab demgegenüber zu bedenken, bei der Kritik an der Vergabe an Katar sollte auch bedacht werden, dass die Vergabe an Deutschland ebenfalls durch Korruption zustande gekommen sei. So habe der Vertreter von Tobago, Jack Warner, für die WM die Fernsehrechte für Mittelamerika für einen Dollar erhalten. Zudem sei der Vertreter von Neuseeland, der den Auftrag gehabt hätte, für Südafrika zu stimmen, zu der entscheidenden Sitzung nicht erschienen, so dass Deutschland mit einer Stimme Mehrheit die WM erhalten habe. Arnd Festerling merkte an, die Dimension der Korruption hätten die Journalisten seinerzeit nicht im Kopf gehabt und auch nicht für vorstellbar gehalten. Offenbar habe es ja zusätzlich zu der sehr luxuriösen Unterbringung oft noch ein Geldköfferchen in der Suite gegeben. Müller kommentierte nüchtern, dies seien eben die Spielregeln bei den Vergaben und Katar habe das sehr früh begriffen. Im Übrigen werde die gesamte Sportwelt von den reichen arabischen Ländern verändert. So habe Saudi-Arabien die Ausrichtung der asiatischen Winterspiele für 2029 erhalten, was als Projekt derzeit mit einem Aufwand von 500 Milliarden Dollar veranschlagt werde. Im weiteren Verlauf wurde der Umgang der Nationalmannschaft mit der Kritik an Katar behandelt. Die frühere Strategie funktioniere nicht mehr, dass nur auf den DFB-Präsidenten verwiesen wird. Daher habe der Deutsche Fußballbund NGOs eingeladen, um vor den Spielern über Katar zu referieren, berichtete Müller. Als großes Thema aber stehe im Raum die Frage des Entschädigungsfonds in Höhe von 440 Millionen Dollar. Zwar hielten die Kataris dies für einen PR-Gag, aber die Statuten der FIFA schrieben eindeutig vor, dass der Verband für entstandene Schäden aufkommen müsse, meinte Stenger. Gegen Ende tauchte die Frage auf, ob es denn Hoffnung gebe, dass sich an dem System etwas ändern ließe. Moderator Festerling gab sich verhalten optimistisch: die Verbände wirtschaftsstarker Länder und Unternehmen könnten schon ihre Wirtschaftskraft in die Waagschale werfen. Für Sponsoren sei die Reaktion auf Katar nicht gerade angenehm. Daher sei er sich sicher, dass es keine Fußballweltmeisterschaft mehr im Winter geben werde. Die Gäste des FPC haben einen inhaltsreichen und spannenden Abend erlebt und führten anschließend noch sehr angeregte Diskussionen.

Aufzeichnung der Veranstaltung auf unserem YouTube-Kanal

Jan-Christian Müller
Foto © Jan-Christian Müller
Harald Stenger © GES-Sportfoto

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