Afghanistan nach dem Sieg der Taliban – Spiegel-Korrespondent Christoph Reuter zu Gast

17. JANUAR | 19.30 UHR | FRANKFURTER PRESSECLUB, ULMENSTR. 20, 60325 FRANKFURT UND ALS LIVESTREAM BEI YOUTUBE

ZU GAST
Christoph Reuter (Journalist, Kriegsberichterstatter und Autor – Der Spiegel)

MODERATION
Bernd Ludermann (Chefredakteur von “welt-sichten – Magazin für globale Entwicklung und ökumenische Zusammenarbeit”)

Der Sieg der Taliban war absehbar

Spiegel-Korrespondent Christoph Reuter zu Gast im FPC

Verhaltenen Optimismus hat Spiegel-Korrespondent Christoph Reuter auf der Kooperations- Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung und des FPC hinsichtlich der Zukunft Afghanistans gezeigt. Das Land könne sich nur aus sich heraus entwickeln, denn alle Versuche der Modernisierung von außen seien gescheitert. Eine Schwierigkeit bestehe darin, dass die gut ausgebildeten Eliten zu größten Teilen in das westliche Ausland ausgewandert seien. Aber dennoch hofft Reuter, Bürger des Landes könnten sich irgendwann daran erinnern, dass es auch anders gehen könne. Als ein positives Beispiel führte er das Ansehen von Schulen an. Inzwischen wolle jedes Dorf eine eigene Grundschule haben, wo die Kinder lesen und schreiben lernten. Der Sieg der Taliban war nach der Darstellung von Reuter lange vorhersehbar. Zum einen seien durch den Einmarsch der Amerikaner die Warlords wieder an die Mach gekommen, die für die Zerstörung des Landes in den neunziger Jahren verantwortlich waren. Zum anderen seien die Regierungen unter den Präsidenten Karzai und Ghani korrupt bis zum Anschlag gewesen und hätten sich nur für die Hauptstadt interessiert. Beispielsweise seien Bauaufträge für Infrastrukturmaßnahmen von einem Subunternehmen unter Einbehalt einer „Vermittlungsgebühr“ an das nächste weitergegeben worden und am Ende sei nur noch ein viel zu kleines Budget für die Baumaßnahme übriggeblieben. Davon sei dann eine Straße gebaut worden, die nur wenige Jahre gehalten habe. Auf der anderen Seite hätten die Taliban ihre Macht sehr systematisch vom Land her aufgebaut. Sie hätten die einzelnen Dörfer besucht, mit den Leuten gesprochen und mit Drohungen auch die „Zusammenarbeit“ erzwungen. Auf die Frage von Moderator Bernd Ludermann, was sich durch die Machteroberung der Taliban für die Bevölkerung geändert habe, meinte Reuter, eigentlich sei alles schlechter geworden. Allerdings hätten die neuen Machthaber erreicht, dass es in dem durch jahrzehntelangen Krieg ausgebluteten Land jetzt Frieden und verhältnismäßige Sicherheit gebe, auch wenn es eine Friedhofsruhe sei. So habe inzwischen auch der Schulbesuch von Kindern wieder zugenommen, da die Wege sicherer seien. Die Bedeutung des Friedens für die Bevölkerung dürfe man nicht unterschätzen. Reuter bescheinigte den Taliban, keinerlei Plan für die Zeit nach der Machtergreifung gehabt zu haben. Sie seien davon ausgegangen, dass der Westen wie bisher auch, rund 80 Prozent des Staatshaushaltes finanzieren werde. Da jedoch die Taliban viele ihrer ursprünglichen Versprechen gebrochen hätten, sei insgesamt die Kooperation mit den westlichen Ländern schwieriger geworden. Der Bundesregierung warf Reuter Schönfärberei und Desinteresse hinsichtlich Afghanistans vor. So seien ständig Berichte über eine Verbesserung der Situation verbreitet worden, obwohl es immer weiter bergab gegangen sei. Als Beispiel führte er an, dass der Botschafter Hans-Ulrich Seidt im Jahr 2008 nach Südkorea versetzt worden sei, da er zu kritisch aus Kabul berichtet habe. Zu Beginn des Abends hatte Reuter einige Passagen aus seinem gerade erschienenen Buch „Wir waren glücklich hier“ gelesen. Die Besucher, die trotz des widrigen Wetters mit Glatteis und Schnee in den Presseclub gekommen waren, wurden mit einem sehr spannenden und anregenden Abend belohnt.

Aufzeichnung der Veranstaltung auf unserem YouTube-Kanal

Eine Veranstaltung in Kooperation mit der

Christoph Reuter
Foto: www.stephan-roehl.de
Bernd Ludermann

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