Die USA vor den Wahlen – Ein Korrespondent aus Washington und eine Korrespondentin aus L.A. berichten

Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Ortsverband Frankfurt am Main des DJV Hessen.

MONTAG | 21. OKTOBER | 19.30 UHR | FPC, ULMENSTR. 20, 60325 FRANKFURT

ZU GAST
Elmar Theveßen (Leiter des ZDF-Studios Washington)
Katharina Wilhelm (2019 bis 2024 Leiterin des ARD-Studios Los Angeles)

MODERATION
Carsten Knop (FPC Vizepräsident)

Erleben wir den „Death of Truth“?

Amerika hat die Wahl – Elmar Theveßen (ZDF) und Katharina Wilhelm (ARD) diskutieren mit Carsten Knop (FPC-Vizepräsident). Zwei Wochen vor den US-Wahlen erhellten der Leiter des ZDF-Studios in Washington und die ehemalige Leiterin des ARD-Studios Los Angeles gemeinsam mit dem FAZ-Herausgeber im ausgebuchten Palais Livingston die Hintergründe für das polarisierte politische Klima in den Vereinigten Staaten.

Die Kernklientel von Donald Trump

Beide Journalisten berichteten über die tiefe Spaltung zwischen liberalen Städten und konservativem „Trump-Land“. Bereits im 2020-er Wahlkampf hatte sich Wilhelm von den martialisch auftretenden Trump-Anhängern „immer ein bisschen bedroht gefühlt“. Amerika sei heute von einer zutiefst gespaltenen Wählerschaft geprägt sei, berichtete Theveßen, der gerade für die auslandsjournal-Doku „Zwischen Trump und Harris“* mit einem Wohnmobil 9.000 Kilometer über Landstraßen durch die USA gereist ist. Das Prinzip der Wahlmännerstimmen spiele eine unglaubliche Rolle für Trump-Anhänger, die überzeugt sind, dass es sie massiv benachteilige. Überall dort, wo das Bildungsniveau vergleichsweise niedrig sei, ist der Frust riesig. „Weiße, nicht auf dem College ausgebildete Menschen sind die Kernklientel von Donald Trump.“

Sturm aufs Capitol war nur ein „bisschen gewalttätiger“ Protest

Auf dem Roadtrip war Theveßen immer wieder Amerikanern begegnet, die hundertprozentig davon überzeugt sind, dass Joe Biden kein legitimer Präsident sei. Den Sturm aufs Capitol bewerteten sie als Demonstration, die, aus welchen Gründen auch immer, „ein bisschen gewalttätig“ geworden ist. „Das waren Aufständische, das waren Extremisten, die zu Gewalt gegriffen haben“, erinnert sich der ZDF-Korrespondent, der mit seinem Kameramann am 7. Oktober 2021 live aus Washington berichtete. Diskussionen mit Trump-Anhängern seien jedoch zwecklos, sie würden lieber der Version ihres „Make-Amerika-Great-Again“-Idols glauben als einem „mit Wohnmobil daher gefahrenen“ Journalisten aus Deutschland.

Katharina Wilhelm, Elmar Theveßen, Carsten Knop (v.l.n.r.) Foto © Petra Tursky-Hartmann

„Amerikaner mögen Showman“

Auf die Frage von Knop, warum immer noch so viele Wählerinnen und Wähler auf Donald Trump glauben, zeichnete Wilhelm ein differenziertes Bild. Im Gegensatz zu uns Deutschen mögen Amerikaner den „Showman“, auch in politischen Ämtern, das reiche bis zur Amtszeit von Ronald Reagan zurück. Schwer nachvollziehbar fand die Journalistin jedoch, dass Geschäftsleute demokratische Inhalte grundsätzlich – „Ich wähle halt eben rot, koste es was es wolle“ – strikt ablehnen. Auch das Thema illegale Migration spiele eine wichtige Rolle, da die große Wählergruppe der legal eingewanderten Latinos Zuwanderer als ernsthafte Konkurrenz um Arbeitsplätze, Ressourcen und ihren guten Ruf fürchte. Und viele der Eingewanderten kämen aus Staaten, wo der starke Mann noch etwas zähle, da zieht Trump trotz entsprechender Verurteilungen als „Macho mit starken Sprüchen“.

„Uns geht es schlechter als vor vier Jahren“

Egal, wo Theveßen und sein Team Halt gemacht hatten, die Inflation und die hohen Preise waren das beherrschende Wahlkampfthema auf der langen Reise von Las Vegas nach Chicago. In Anbetracht der hervorragenden Wirtschaftsdaten – drei Prozent Wachstum, 4,1 Prozent Arbeitslosigkeit und 2,5 Prozent Inflation sowie einem Nettoanstieg der Löhne und Gehälter, also „mehr als die Inflation weggefressen hat“, sagten gefühlt über 60 Prozent der Amerikaner: „Uns geht schlechter als vor vier Jahren“. Dazu komme, dass es anders als in Deutschland keine kostenlosen Kitaplätze gebe. „Kinderbetreuung in den USA kostet zwischen 1.500 und 2000 US-Dollars im Monat, das muss man erstmal verdienen“, gab Wilhelm zu bedenken. Obwohl die US-Regierung 2022 mit dem „Inflation Reduction Act“ ein 738 Milliarden Dollar schweres Investitionsprogramm angeschoben habe, würde Trump immer noch mehr Wirtschaftskompetenz als Harris zugeschrieben. „Das könnte am Ende dazu beitragen, dass Donald Trump die Wahl vielleicht doch noch mal gewinnt“, war Theveßen skeptisch. Da in Umfragen jedoch nur 600 bis 1.500 von 155 Millionen registrierten Wählerinnen und Wählern befragt würden, könne man die Umfragen „alle in der Pfeife rauchen.“

Foto © Petra Tursky-Hartmann

Project 2025: „Dictator from day One?“

Sollte Trump am 5. November erneut gewählt werden, sei dies „brandgefährlich“. Sein Project 2025 sehe die Entmachtung des Kongresses in Bezug auf sein Haushaltsrecht, den Austausch von 50.000 Regierungsbeamten durch Loyalisten und den Einsatz des Justizministeriums als Waffe gegen politische Gegner vor. Also ein Umbau der amerikanischen Demokratie in eine Autokratie, was Knop mit „Dictator from day one?“ kommentierte. Kehre der Ex-Präsident im Januar 2025 ins Weiße Haus zurück, werde er sein Amt auch gegen die Berichterstattung der Medien richten. Noch am Wochenende hatte Trump gedroht, CBS die Lizenz zu entziehen, wenn der Sender nicht bereit sei, unabhängiger zu berichten. Unabhängig bedeute, so Theveßen, „aus seiner Sicht natürlich positiv über ihn.“ Auch wenn Trump nach Auffassung von Katharina Wilhelm selbst „die beste Fake News Maschine“ sei, müsse man seine Lügen und abstrusen Forderungen ernst nehmen.

„The death of truth“ oder warum die Wahrheit nicht siegen wird

Steven Brills Buch „The death of truth“ analysiere, so Knop, warum die Wahrheit nicht siegen kann, da die Algorithmen der sozialen Netzwerke genau das Gegenteil der Wahrheit verstärken würden. Noch habe man in Deutschland eine differenzierte Medienlandschaft, trotzdem sind die Medienmacher laut Wilhelm zunehmend von Social Media Plattformen wie X abhängig. An einem guten Tag, so Knop, habe FAZ.net zwei Millionen Visitors. Als Elon Musk den Tweet postete, dass er Trump unterstütze, habe er 200 Millionen bereits am ersten Tag erreicht. „Vielleicht müssen wir uns mit Taylor Swift zusammentun, damit das für FAZ und ZDF auch funktioniert?“ wandte Theveßen amüsiert ein. Die Verbreitung von Falschheiten, Lügen und Unterstellungen liege zwar in der menschlichen Natur, aber künstliche Intelligenz entwickle diesen Mechanismus zu einer Art „Vernichtungswaffe“. Es sei deshalb kein Zufall, so Theveßen, dass Elon Musk gerade jetzt mit Game sei, „da ist etwas im Gange, was sich Journalisten genauer anschauen müssen“. „Der Anfang vom Ende einer freiheitlichen Demokratie beginnt mit dem Ende der Pressefreiheit“, zog Knop sein Fazit nach dem einstündigen Gespräch, bevor die zahlreichen Gäste von DJV und FPC ihre Fragen an die beiden Korrespondenten richteten.

Aufzeichnung der Veranstaltung auf unserem YouTube-Kanal

Elmar Theveßen
Foto © ZDF/Andreas Reeg
Katharina Wilhelm
Foto: Privat

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