10. APRIL | 19.30 UHR | FPC, ULMENSTR. 20, 60325 FRANKFURT UND ALS LIVESTREAM
ZU GAST
● Anette Dowideit (Stv. Chefredakteurin – Correctiv)
MODERATION
● Diemut Roether (Verantwortliche Redakteurin epd medien)
Von den Reaktionen selbst überrascht
Correctiv berichtet über die investigative Recherchearbeit
Von den Reaktionen auf die Enthüllung eines Treffens rechtsradikaler Kreise, auf dem über Pläne der Abschiebung von Millionen von Bürgern gesprochen wurde, war das Medienunternehmen Correctiv selbst überrascht. Die stellevertretende Chefredakteurin Annette Dowideit meinte auf dem Clubabend, offenbar habe die Berichterstattung etwas in dem Menschen ausgelöst und so viele dazu gebracht aktiv zu werden und auf die Straße zu gehen. Für das Recherche-Team seien aber die Reaktionen nie vorhersehbar. Oft dächten die Kolleginnen und Kollegen, auf ihre Enthüllung folge eine riesige Welle der Berichterstattung, dann blieben Reaktionen aber weitgehend aus. Das Gleiche geschehe aber auch umgekehrt wie in diesem Fall. Mit einer solchen Nachfrage und solchen Anfeindungen habe man nicht gerechnet. Da die Kommunikation auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung nicht mehr zu bewältigen gewesen sei, habe man eine Agentur für Krisenkommunikation eingeschaltet, was allerdings intern durchaus kontrovers diskutiert worden sei. Ein Zuhörer merkte kritisch an, Correctiv handele als Aktivist und stehe damit in Widerspruch zu dem Leitsatz von Hans Joachim Friedrichs, ein Journalist dürfe sich nie mit einer Sache gemein machen, auch nicht mit einer guten. Dowideit führte aus ihrer eigenen Vergangenheit bei der Tageszeitung „Die Welt“ an, auch dort seien die Themen nicht frei wählbar gewesen. Vielmehr sei den einzelnen Redaktionen vorgegeben worden, wie viele Abos sie mit ihren Online-Themen erreichen müssten. Es sei also um die Resonanz und nicht um die Inhalte gegangen. Die stellvertretende Chefredakteurin wurde auf das Verhalten der Gruppe Bellingcat angesprochen, die ihre Aufdeckung des RAF-Mitgliedes Daniela Klette nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet habe. Dowideit meinte, wenn Correctiv bei einer Recherche auf Straftatbestände stoße, würden sie das der Staatsanwaltschaft melden. Dowideit legte Wert darauf, dass sich Correctiv nicht gegen einzelne Parteien richte. Auch würden keine politischen Forderungen oder Handlungsanweisungen aufgestellt, wie etwa ein Verbotsantrag gegen die AfD. Vielmehr gehe es dem Unternehmen um die Stärkung der Demokratie indem es Menschen dafür gewinne, sich aktiv für Demokratie einzusetzen und selbst zu beteiligen. Diesem Ziel dienten auch die verschiedenen Tätigkeitsfelder. So habe das Medienunternehmen auch ein deutschlandweites Netzwerk des Lokaljournalismus aufgebaut, das vor allem die Berichterstattung vor Ort stärken soll. Mit dem Projekt Reporter4You soll durch die Vermittlung von Profis an Schulen die Medienkompetenz der Schüler gestärkt werden und bei der Jugendredaktion Salon5 können Jugendliche mit verschiedenen Formaten und Inhalten bei der Medienproduktion experimentieren. Ein wichtiges Anliegen ist es laut Dowideit, auch breiter Bevölkerungskreise zu erreichen. Unter anderem veranstalten die Journalistinnen und Journalisten daher auch szenische Lesungen, Theaterstücke, Kunstausstellungen und auch eine Oper. Um aber auch über die eher gebildete Schichten hinaus Menschen zu erreichen, arbeite Correctiv auch mit TikTok. Mit ein wenig stolz berichtete die stellvertretende Chefredakteurin, dass die Abonnentenzahl des eigenen Newsletter gerade die 100.000er Marke überschritten habe. Von Moderatorin Diemut Roether nach den Details der Recherche über das Geheimtreffen befragt, gab Dowideit offenherzig spannende Einblicke in die Arbeit des Recherche-Teams. Die Gäste dieses sehr gut besuchten Clubabends dankten die sehr authentischen Auskünfte und Stellungnahmen mit ungewöhnlich langanhaltendem Beifall.