Geburtstag von Rudolf Augstein – Gisela Stelly Augstein im Gespräch

07. NOVEMBER | 19.30 UHR | IM FPC, ULMENSTR. 20, 60325 FRANKFURT

ZU GAST
Gisela Stelly Augstein (Journalistin, Filmemacherin und Autorin)

MODERATION
Annette Milz (Journalistin, freie Autorin und Moderatorin)

Von Schmerzen zur großen Liebe

Gisela Stelly Augstein berichtet über ihr Leben mit dem Spiegel-Gründer

Ein Portrait der menschlichen Seite des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein hat auf einem Clubabend seine vierte Ehefrau Gisela Stelly Augstein im Gespräch mit Moderatorin Annette Milz gezeichnet. Sie sprach einfühlsam und differenziert von ihrem langjährigen Ehemann und beschrieb mit mancher Anekdote diese herausragende Persönlichkeit. So haben sich Gisela Stelly und Rudolf Augstein durch einen schmerzhaften Zufall kennengelernt. Sie klagte während ihres Praktikums, das sie als 23 Jahre junge Journalistin bei der Wochenzeitung Die Zeit absolvierte, über Zahnschmerzen. Ein Kollege bot ihr mehrere Gläser Cognac an in der festen Überzeugung, diese Medizin werde schon helfen. Doch der peinigende Weisheitszahn gab keine Ruhe. Schließlich beschloss sie, einen nahegelegenen Zahnarzt aufzusuchen. Doch der Aufzug fuhr sie nicht in das Erdgeschoss, sondern in ein oberes Stockwerk, wo ein Mann eintrat. Dieser bemerkte ihre Pein und bot ihr an, sie zum Zahnarzt zu fahren. Nach anfänglichem Zögern willigte sie ein. Auf dem Weg über den Parkplatz steuerte er einen gold-kupfernen Cadillac an. In das auffällige Gefährt wollte sie unter keinen Umständen einsteigen, da sie ja den Mann nicht kannte und er mit diesem Wagen nur einem ziemlich finsteren Milieu angehören konnte. Doch schließlich nahm sie das Angebot an, da sie auch Sorge hatte, sich in Unkenntnis der Umgebung zu verlaufen. Aus dieser Begegnung entstand dann eine große Liebe und eine zwanzig Jahre dauernde Ehe. Im Alltag dieser Ehe spielte seine Arbeit in der Spiegelredaktion keine große Rolle, Das Paar unterhielt sich über das, was in der Welt los war. Er brachte sein politisches Wissen und seine große Lebenserfahrung ein und sie ihre akademischen Themen aus der Soziologie und der Psychologie. Wobei ihm der akademische Diskurs nicht sonderlich lag. Bei den meisten Themen interessierte ihn die menschliche Seite. So galt seine Aufmerksamkeit mehr der Putzfrau von Kant als seinen Schriften. Moderatorin Annette Milz wollte wissen, was für eine Führer-Persönlichkeit Augsteins gewesen sei. Gisela Stelly Augstein meinte, er habe gar nicht geführt. Vielmehr habe er eine starke natürliche Autorität besessen. Das habe man schon gespürt, wenn er den Raum betreten habe. Im Privaten sei er ein glänzender warmherziger Unterhalter gewesen. Sie nannte ihn einen Tisch-Hai, da er durch das Erzählen wunderbarer Geschichten die Leute sehr schnell zum Lachen bringen und für sich gewinnen konnte. Auch das Thema Eifersucht wurde nicht ausgespart, da Augstein ja stets das Image eines Womanizers anhing. Allerdings habe sie es so erlebt, dass eher Frauen auf ihn zugegangen seien als er auf sie. Von ihr aus habe es keine große Eifersucht gegeben. Von seiner Seite aus sei das etwas anders gewesen. So habe es ein richtiges Drama gegeben, als sie das erste Mal für die Produktion eines Filmes verreisen musste. Die Frage, was sie denn von Augstein habe lernen können, beantwortete Gisela Stelly Augstein kurz und bündig mit „nichts“. Er sei einfach genial gewesen und das sei eine Gabe, die man nicht lernen könne. Die Gäste des Abends haben ein sehr dichtes und persönliches Gespräch erlebt, das viele Einblicke in die Persönlichkeit von Rudolf Augstein gegeben hat. Der Anlass für diesen Abend war der 100. Geburtstag Augsteins und das kürzlich von Gisela Stelly Augstein erschienene Buch „Der Fang des Tages“.

Gisela Stelly Augstein
Foto © Birgit Klempt

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